Deshalb kommt es auf Tinder nie zum Date

Foto: Stephanie Herbst

 

Uups, i dit it again.

Okay. Einer ist dann doch ganz süß. Ich bin wieder auf Tinder unterwegs.

Ich gebe ihm eine Chance. Er heißt Sven, 32, ist nur zwei Kilometer entfernt. So nah als säßen wir schon nebeneinander an einer Bar.

„Obwohl ich dich schon geliket habe, wurdest du mir immer wieder angezeigt. Das ist doch ein Zeichen, dass wir uns treffen sollten, oder?“, fragt Sven.

Ich will daran glauben, denn der Grafiker aus Kreuzberg sieht sehr sympathisch aus. Normal einfach. Keine Katzenfotos, nix Oberkörperfei im Schnee, keine Selfies mit geliehenen Kindern, um den Oxytocinpiegel (Bindungshormon) der Frauen steigen zu lassen. Einfach  herrlich normal. Zwei Augen, braune Haare, natürliches Lächeln.

Also schreiben wir uns. Kein: „Was würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?“, „Was machst du gerade?“, „Erzähl doch mal was über dich!“. Denn das wollen wir uns ja face-to-face sagen. Die Gespräche laufen so ab:

Ich, Samstag; „Dienstag?“

Er, Mittwoch: „Oh sorry, jetzt erst gesehen. „Donnerstag?“

Ich, Mittwoch: ____

Er, Freitag: „Hey, tut mir echt leid. Ich will es wieder gut machen.“

Ich, Montag: „Ja, ok. Sag an.“

Er, Dienstag: „Morgen.“

Ich, Dienstag: „Ok, wann und wo?“

Er, Dienstag: ____

Er, Mittwoch: ____

Er, bis heute: ____

Oh, jetzt kommt was: „Liebe Evelyn, nimm’s mir nicht übel, aber mir wird das gerade alles ein bißchen zu viel. Wenn du magst, melde ich mich einfach bei Gelegenheit bei dir. Hab‘ einen tollen Tag.“

Dahinter noch ein fettes, rotes Herz. ❤️.

Liebe.

Jaja…

Tinder: Wischen für eine bessere Welt – was weg muss, muss weg!

Radar an – wieder auf Empfang

David, 28, 19.05 Uhr: Schöhne Schuhe. Jan, 31, 19.12 Uhr: Sexy Augen. Steffen, 34, 19.45 Uhr: Wann Date? Dann kommen da noch Ryan, 33, 20.02 Uhr: Hey. Lucas, 35, 20.07 Uhr: Na? Und Sven, 29, 21 Uhr: sup girl!

Yep, Ich bin ja wieder hier. Yep, in Berlin. Das heißt auch: Ich bin wieder bei Tinder.

Beim ersten Frauenabend ist die App wieder da, und wir wischen weg, was weg muss.
Es geht beim Tindern nicht ums Treffen, sondern um das Vermeiden. Nein, den will ich nicht kennenlernen, der hat eine Frau im Arm, der eine Katze, der steht oberkörperfrei im Schnee. Nein, ich will mit denen kein Matcha in Mitte trinken. Oder Futschi in Friedrichshain.

Es geht um den Moment. Wenn man beim Tindern sieht, wer alles auf der Suche ist, hat man den Drang, zu fliehen. Um die anderen Frauen vor Polygamie-Werner, Katzen-Toni und Schneehasen zu schützen, wischt man. Bis keiner mehr kommt und man sich erleichtert zurücklehnt.

Weg von meinem Display, weg aus Berlin. So fühlt es sich einen Moment lang an. Durchatmen.

Bis die Nachrichten derer kommen, die normal und sympathisch aussehen. Trefferquote 3 aus 100. Gefühlt.

Überraschung: Doch Aussehen ist halt nicht alles. Auch Rechtschreibung, schreibe ich David um 21.22 Uhr. Und auf plumpe Anmachen stehe ich gar nicht. Meine Augen sind grün, nicht sexy und sehen dich jetzt ganz klar. Nein, ich will keine Bettgeschichte, schreibe ich Jan um 21.23 Uhr.

Wann Date? Nie. Nö, darauf antworte ich nicht.
Hey. Na? sup girl!
Ho. No? gjhv lußß!

Nein, Mann, ich bin nicht gerne Single. Deshalb:

 

 

JA, Mann, das ist voll cool. Als Single kannst du dein Leben voll genießen. Party bis morgens um 11 Uhr.

JA, Mann, mache ich ja genau so.

In Berlin. In Los Angeles. Ich flirte, habe Spaß, lande nachts in irgendeinem Pool, plane den nächsten Tag, um am Morgen alles umzuschmeißen, wenn ich barfuß im Hellen nach Hause gehe. Ganz so, wie ich es gerade will. Herrlich. Aber eigentlich ganz so, wie mein Leben als Nicht-Single auch war.

Doch eine Sache ist anders. Die Männer. Manche sehe ich jetzt anders. Die, die glauben, dass ich doch UNBEDINGT jetzt einen Mann brauche. Nämlich SIE! Weil ich ja diese tieftraurige Single-Kolumne schreibe, die längste Kontaktanzeige Berlins.

NEIN, Mann, Singles müssen nicht froh sein, IRGENDWEN abzubekommen.

NEIN, Mann, Singles fühlen sich nicht erst zu zweit komplett. Ich muss auch nicht jeden wollen und bin deswegen nicht gleich arrogant. 

… Also zumindest deswegen. Ich bin das: romantisch. Der eine Mann oder kein Mann.

BREAKING NEWS: Man fällt nicht um, wenn man alleine ist. Ich habe zwei Beine und tanze. Kein Drahtseilakt. Ich habe zwei Hände und würde euch winken. Geht nicht: trinken. Links Gin, rechts Tonic.

Noch was: Diese Zeilen sind keine Single-Kolumne. Es geht um die Liebe. Nicht um Männer. Aber, liebe Leser, seid nett zu den Boys, sollte doch mal einer hier auftauchen. Es geht ohne Männer. Aber mit manchen ist es manchmal auch ganz okay.

Ich schwimme im Glück

Ich liebe Sommer, ich liebe Los Angeles, ich liebe diese Nacht. Und ich liebe diesen einen Ort, von dem ich dachte, ihn niemals erleben zu dürfen.

… Oder nur für sehr, sehr viel Geld. Aber ich bin drin.

Alle waren sie hier. Die großen und die kleinen Helden. Hier sind sie entstanden. Die großen und die kleinen Geschichten.

Jim Morrison fiel vom Dach, James Dean sprang aus einem Fenster. Beide überlebten. John Belushi nahm in Bungalow 3 des Hotels viel Kokain und Heroin. Er starb. Lindsay Lohan soll eine offene Rechnung von 46 000 Dollar haben, Britney Spears darf hier nicht mehr rein.

Aber ich, ich bin wirklich wirklich drin.

Im Garten vom Château Marmont. Man muss sich das so vorstellen: In einer Vier-Millionen Stadt, an einer vierspurig befahrenen Straße. XXL-Leuchtreklame „Sexy Girls“. Hier ist es grell, hier ist es verdammt laut. Und auf einmal ist es ruhig und dunkel, mitten auf dem Remmi-Demmi-Boulevard von Los Angeles.

Genau dann, wenn sich ein kleines Gartentor öffnet. Ich habe mich immer gefragt, was dahinter steckt. Jetzt weiß ich es.

Eine Oase. Ich schwimme im Pool, ich schwimme im Glück. Über mir dieses fast schon beängstigend große weiße Hotelschloss, das in den schwarzen Nachthimmel ragt. Daneben ein Zitronenbaum, dessen Gelb so hell scheint wie das überdimensionale Gucci-Plakat auf der anderen Seite des Pools neben den Palmen

Ich weiß immer noch nicht, wie groß die Leinwand ist, die ich versuche auf meiner kleinen Handykamera festzuhalten. Kein einziges Foto hat diesen Ort einfangen können.

War ich wirklich da?

 

Bye bye, Berlin – hallo Amerika 

 Jetzt muss ich aber mal los.
Weil ich einfach mal raus muss.

Weil ich mich nicht in den Park auf eine Wiese setzen will. Weil ich mir nicht auf dem Bio-Markt auf dem Boxhagener Platz am Samstag einen Ingwersaft mit roter Beete pressen will. Ich will auch nicht mehr in diese Cafés, in denen ich zwischen Matcha-Tee und Thai-Chai-Cinnamon-Latte wählen muss, während ich auf einer Obstkiste neben Fremden warte, die Fotos von ihren Honey-Blossom-Caramel-Espresso machen und sie auf Instagram posten.

Ich will auch nicht mehr da sein, wo du bist.

Stattdessen will ich ans Meer, kein Ende sehen, untertauchen. Ich will in eine Bar, am Tresen sitzen, der Kellner stellt mir ein Bier hin. Denn es gibt nur Bier. Kein Lemon-Lime-Ale oder Bananen-Weizen.

Ich will mich nicht entscheiden müssen. Immer diese Möglichkeiten. Ich will nur eins: einfach mal raus.

Bleibe ich oder gehe ich? Ich gehe.

Drei Wochen Roadtrip mit meiner Freundin durch Kalifornien und Arizona. Danach vier Monate Los Angeles. Ich bin dann mal weg.

Okay, in Los Angeles wird es noch doller. Dort werde ich mich zwischen grünem Spinach-Smoothie und noch grünerem Spinach-Broccoli-Apfel-Smothie entscheiden müssen.

Mmh, zumindest mal was anderes. Und jedenfalls bist da nicht du.

Ich bin zuversichtlich, dass ich in fünf Monaten in Los Angeles auch eine einfache Bar mit einfachem Bier finden werde.

Und vielleicht treffe da auch einfach mal IHN. Mr. X.. Das wär’s.

Tschüssikowsky und bye bye. Ab nun heißt es 30, Single, L.A..

Ich will Liebe, er will radeln

   

Deshalb.

Weil ich dir nicht schreiben kann, dass ich wie fast jeden Sonntag gerne wieder mit dir eine Radtour an der Spree machen würde, weil ich dir viel lieber schreiben würde, dass ich gerne mit dir bei dir zu Hause kochen würde. Dann gemeinsam essen. Mit Kerze auf dem Tisch. Klassisch. Wir würden uns ansehen und immer wieder verlegen wegsehen. Kitschig. Der Wein würde schnell leer. Mein Kopf immer voller mit Gedanken um uns. Und endlich würde ich mich trauen, es dir zu sagen. Dass ich dich mag. Du dich, dass du mich magst. Mehr als einen Sportsfreund.
Dann würde ich bleiben. Über Nacht. Dann gäbe es Frühstück im Bett. Und statt der ollen Radtouren wären wir bis abends immer noch im Bett. Die Sonne geht auf, die Sonne geht unter. Und wir bekommen nichts davon mit. Denn unsere Welt ist kleiner geworden. 200×140 Zentimeter reichen.

Wir müssten nirgends hinradeln, denn wir sind ja schon da, denke ich. Ziel erreicht. Denn das bist du.

Der Wein ist leer, mein Kopf ist voll, und es ist raus. Ich habe dir gesagt, dass ich dich mag. Du trinkst deinen Wein leer und alles, was außer einem Kater am nächsten Tag kommt, ist eine Whatsapp-Nachricht von dir mit der Frage, ob wir radeln gehen.

Ich will nicht mehr radeln.

Deshalb

Weil ich dir nicht schreiben kann, was ich sonst viel lieber mit dir machen würde.

Jetzt schreibe ich dir jetzt gar nichts mehr. Denn du fährst einfach gerne Rad zu zweit, aber ich wüsste gerne wohin.

Ich fahr mal weiter. Alleine bin ich schneller. Ich bin sicher, ich sehe dich wieder. Sonntags auf halber Strecke.

Ihr Freunde seid meine wahre Liebe

 Ich weiß jetzt, warum das alles passiert. Dieses Verlieben und Entlieben, dieses Anziehen und Ausziehen, um dann einzuziehen und dann doch wieder auszuziehen.
Wisst ihr noch? Dieses erste Date, zu dem ich nicht gehen wollte, weil mir so schlecht war. Das Herz pochte so schnell, dass ich Vorfreude mit Übelkeit verwechselt habe. Und dann war ich da, und es war einfach wunderbar. Und euch habe ich am Abend davon erzählt. Euch, meinen Freundinnen, weil ich euch ja immer sofort alles erzähle, was in meinem Leben passiert, oder eben genau nicht passiert.
Und erst dann am Telefon habe ich realisiert, dass es wirklich gerade passiert ist. Und dass er mich wirklich mag.

Naja, und dann kam aber doch alles anders. Zwei Wochen später. Er müsse nachdenken. Irgendwie ginge ihm das jetzt doch ganz schön schnell. Mit uns. Irgendwie hätte er auch eigentlich noch ‘ne Freundin.

Auch dafür hattet ihr am Telefon dann eine Erklärung. Wäre es eine Konferenzschaltung gewesen, hätte ich aus drei Bundesländern acht Stimmen im Kanon zischen hören: Was für ein Honk! Eigentlich habt ihr ein anderes Wort benutzt. Mit einem schönen Zischlaut, das ich jetzt noch höre. Will ich hier aber nicht verwenden. Aber hat geholfen. Ich habe gelacht statt geweint.

Und dann war der Typ auch schon abgehakt. Und der nächste kam. Ging. So geht es weiter.

Aber ihr, ihr seid immer da. So lange schon. Wenn auch zum Teil so weit entfernt. Immer da. Meine Freundinnen.

Ich weiß jetzt, warum das alles passiert. Damit wir uns von all den Losern und Lovern erzählen können. Sonst wäre es auch ganz schön langweilig. Ohne die. Aber vor allem ohne euch.