Ihr Freunde seid meine wahre Liebe

 Ich weiß jetzt, warum das alles passiert. Dieses Verlieben und Entlieben, dieses Anziehen und Ausziehen, um dann einzuziehen und dann doch wieder auszuziehen.
Wisst ihr noch? Dieses erste Date, zu dem ich nicht gehen wollte, weil mir so schlecht war. Das Herz pochte so schnell, dass ich Vorfreude mit Übelkeit verwechselt habe. Und dann war ich da, und es war einfach wunderbar. Und euch habe ich am Abend davon erzählt. Euch, meinen Freundinnen, weil ich euch ja immer sofort alles erzähle, was in meinem Leben passiert, oder eben genau nicht passiert.
Und erst dann am Telefon habe ich realisiert, dass es wirklich gerade passiert ist. Und dass er mich wirklich mag.

Naja, und dann kam aber doch alles anders. Zwei Wochen später. Er müsse nachdenken. Irgendwie ginge ihm das jetzt doch ganz schön schnell. Mit uns. Irgendwie hätte er auch eigentlich noch ‘ne Freundin.

Auch dafür hattet ihr am Telefon dann eine Erklärung. Wäre es eine Konferenzschaltung gewesen, hätte ich aus drei Bundesländern acht Stimmen im Kanon zischen hören: Was für ein Honk! Eigentlich habt ihr ein anderes Wort benutzt. Mit einem schönen Zischlaut, das ich jetzt noch höre. Will ich hier aber nicht verwenden. Aber hat geholfen. Ich habe gelacht statt geweint.

Und dann war der Typ auch schon abgehakt. Und der nächste kam. Ging. So geht es weiter.

Aber ihr, ihr seid immer da. So lange schon. Wenn auch zum Teil so weit entfernt. Immer da. Meine Freundinnen.

Ich weiß jetzt, warum das alles passiert. Damit wir uns von all den Losern und Lovern erzählen können. Sonst wäre es auch ganz schön langweilig. Ohne die. Aber vor allem ohne euch.

Heimat

 

„Saarschleife“ von Jean Claude Castor/ 030mm photography

 
Reisen ist das eine. Zurückkommen das andere. Jeder Seemann braucht seinen Heimathafen.

Bei mir ist das das Saarland.

Glück spüre ich, wenn ich unterwegs bin. Aber nur, weil ich weiß, dass es einen Ort gibt, an den ich immer wieder zurückkehren kann. Hierher nämlich. Egal, wie alt ich werde. Egal, wie weit ich fort war. Hier ist immer alles, wie es war. Hier ist immer alles, wie es sein muss.

Stillstand.

Wenn auch nur für einen kleinen Moment. Eben so lange, wie der Besuch in der Heimat dauert.

Alles auf null. Gescheiterte Liebe, die ist hier weit weg. Und wenn man sich in seinem alten Kinderzimmer doch daran erinnert, wirkt alles nur noch wie ein böser Traum. Aus dem man endlich erwacht.

Und außerdem seid ihr ja alle da. Ihr, die Liebeskummer 1, 2, 3, 4 miterlebt habt. Freunde. Familie.

Nummer 4 lässt mich nicht los.

Männer, die gegangen sind: ein paar.

Freunde, die geblieben sind: definitiv mehr.

  

Das ist doch eigentlich Liebe. Das, was überdauert. Die Menschen, die bleiben. Ihr.

Wenn ich euch ins Gesicht blicke, bleibt mein Herz kurz stehen, denn meine Welt bleibt stehen. Ich weiß: Alles geht vorbei. Die Männer, der Kummer, der ganze Mist. Aber ihr, ihr seid immer da. Nummer 4 – denke ich gerade gar nicht dran.

Jetzt kann ich wieder los. Aufgetankt. Die Welt darf sich wieder weiterdrehen. Denn ich bin geerdet, bereit zum Abheben. Auf nach Berlin. Auf in die Welt.

Saarland, ich komme zurück. Immer. Versprochen. Aber jetzt muss ich weg. Nummer 4 – vergessen. Zeit, Nummer 5 zu suchen. Denn die habe ich hier nicht gefunden. In der Heimat.