Nach einer Trennung sieht man überall Pärchen – ich sehe überall L.A.

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Foto: Florian Wassily Kazimirski

 

Nach einer Trennung sieht man überall küssende Pärchen.

Wenn man abnehmen will, denkt man nur ans Essen.

Und ich sehe seit meiner Ankunft aus den USA überall L.A.

Ich lande und am Flughafen hängt erst einmal ein riesiges Werbeplakat eines Strandes. Den kenne ich doch. Da war ich surfen. Malibu. Na toll, kaum gelandet, will ich wieder zurück.

Ich gehe shoppen. Warme Kleidung, denn hier ist es kalt. Meine kurzen Hosen kann ich in Deutschland nicht mehr tragen. Tschüss, Sommer, hallo, Herbst. Doch ich sehe in den Läden nur Shirts im Sommerschlussverkauf mit den Aufschriften California, Los Angeles, Venice und Santa Monica.

Verfolgungswahn.

Selbst wenn ich fliehe. In meine Heimat Saarland. Ich bin im Zoo. Raubvogel-Show. Als ich den Falkner überzeugen will, mir statt des Geiers doch bitte unbedingt das Wappentier der USA auf den Arm zu setzen, bekomme ich seine Antwort nicht mit. Ich bin von seinem Shirt abgelenkt. Da steht in großen Buchstaben Huntington Beach. Da war ich doch gerade noch.

Meinen Arm schützt jetzt ein lederner Handschuh, der Weißkopfseeadler ist im Anflug. Buff. Gelandet. Wow, was für ein Tier.

Den Falkner habe ich vergessen, das Shirt auch.

Denn Amerika ist ja jetzt hier. Ganz nah. Auf meinem Arm. Groß, schwer, mächtig.

Das Wappentier der USA ist mir auf der anderen Seite der Welt nicht begegnet. Da musste ich schon zurück nach Deutschland kommen.

L.A. fliegt mir hinterher.

  

 

  

Bye bye, L.A. –„Es war doch so schön“

 

 

Ich habe nicht geweint.
Denn es war doch so schön.
Mein letzter Tag in L.A.
Der war nämlich so. Wie Geburtstag.

Ich stehe auf und in der Küche hilft mir mein Kollege beim Tischdecken. Das habe ich mir gewünscht. Alle zusammen frühstücken. Draußen natürlich. In der Sonne. Zum letzten Mal.
Ich trinke Mimosa. Verbrenne die Croissants auf dem Toaster. Es läuft Samba. Und die Sonne scheint. Party um 11 Uhr morgens. Alle springen in den Pool und rufen „Arschbombe“. Dann tanzen wir weiter Samba.

 

 

Wir haben noch nie Samba gehört. Und getanzt haben wir auch noch nie. Beim Frühstück. Heute schon. Heute ist alles anders.

Dann ist es schon halb drei. Um halb fünf müssen wir los. Zum Flughafen. Fünf Monate Los Angeles in zwei Koffern. Ich träume heute noch davon, dass ich die Hälfte vergesse.

Die letzte Cabrio-Fahrt. Meine Kollegin macht Travis Scott an: „90210“. Und unsere Lieblingsversion von „Hotline Bling“. Sie hat den passenden Abschieds-Soundtrack. Von der Haustüre bis zum Flughafen.

 

 

Die Sonne geht unter und ich sehe die endlosen dünnen Palmen im pinken Himmel verschwinden. Meine Haare wehen im Wind, ich sehe nichts, mir ist kalt. Aber das Verdeck bleibt offen, der Pullover im Koffer. Ich bin schließlich in L.A. Noch.

 

 

Newport Beach

 

Ich steige aus, drücke meine Kollegin, und dann sitze ich auch schon im Flieger. Alles auf die letzte Minute.

Die Stewardessen machen die Türen zu. Ich will hier raus.
Jetzt weine ich doch.

Wo sind die Palmen, Mimosas, meine Kollegin? Ich rufe sie an. Sie: „Ich habe mich gewundert, dass du nicht eher geweint hast.“

Ich: „Es war doch alles so schön.“

Venice with my skatergirl


 

 

 

 

Fehle ich dir auch, Berlin?

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Ich möchte in einer Stadt leben, in der die Straßen Sunset Boulevard heißen, Palmenallee oder Strand.
Ich möchte aufs Gas drücken, immer geradeaus fahren, es sei denn, links der Weg heißt Paradies. Gibt es wirklich.

Ich möchte den lieben langen Tag nichts anderes machen. Fahren. Der Sonne entgegen, den Straßennamen nach, überprüfen, ob sie das halten, was sie versprechen.
Verdammt, das tue ich ja.
Ich bin doch schon hier.
Im Paradies. In L.A.
Und ich mache nichts anderes.
Ich bin allein.
Ich habe nichts.
Mir fehlt nichts.
L.A. reicht.

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Der fährt auch gerne Auto

Der fährt auch gerne Auto

 

Und dann denke ich an Berlin.
Was wohl die anderen zu Hause machen?
Ich telefoniere mit meiner Freundin Inna.
„Scheint in der Sonnenallee die Sonne?“
„Ja“, sagt sie.
„Jetzt?“
„Ja.“

Hier nicht mehr. In Los Angeles ist jetzt Nacht. Dunkel. Aber auf Neukölln scheint die Sonne.

In Gedanken bin ich in der Heimat: Inna wird sich gleich an der Ecke Pannierstraße ihren Kaffee holen, später bei „BBI“ mit Alina Burger essen und abends im „Tier“ einen Absacker trinken, flirten. Beim Späti noch ’n Sterni, draußen sitzen, schauen, wie lange die Sonnenallee an diesem Sommertag bis in die Nacht hinein scheint.
Verdammt. Berlin. Im Sommer.
Das werde ich dieses Jahr verpassen.
In der Sonnenallee scheint die Sonne. Auf dem Sunset Boulevard ist sie längst untergegangen.
Fehle ich dir auch, Berlin?

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Die Vergangenheit reist immer mit

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Ich bin so weit weg. Über 10 000 Kilometer. Es ist so lange her. Mehr als nur ein Jahr.

Und jetzt sitze ich hier auf einem Sonnendeck in Los Angeles.

Und du bist auch hier.

Du und die Geschichte, die wir geschrieben haben. Ich habe immer auf ein Ende gewartet. In Gedanken dazugedichtet, wegradiert, bis endlich das dasteht: Happy End. Schöne Storys habe ich mir ausgemalt. Ich könnte aus jeder eine Kolumne machen. 52 im Jahr.

Das, was immer noch geblieben ist, ist das hier. 52 Zeilen jede Woche in der B.Z. AM SONNTAG. Und natürlich hier.

Du bist sie, diese Kolumne. Du, der eine. Und er, der andere, der weniger als eine Zeile verdient hätte. Jetzt sitze ich hier, esse mein Granola-Müsli, trinke meinen Spinat-Shake und blicke über die ganze Stadt.

Freiheit. Loslassen. Durchatmen.

Ich könnte über all das Schöne hier schreiben. Über die neuen Möglichkeiten, neuen Perspektiven, neuen Männer. Mache ich ja auch. Doch plötzlich ein Piksen in meinem Herzen. Die Erinnerung. Du.

Der Spinat-Shake hilft da nicht.

Ich brauche keine Vitamine.

Freiheit. Loslassen. Durchatmen.

Wo und wann, wenn nicht jetzt und hier im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Ich setze mich ins Auto, Verdeck runter, Jefferson Airplane an. „Don’t You Want Somebody To Love?“ Ja, Mann.

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Ich fahre über den Sunset Boulevard. Bis die Sonne untergeht. Sunset. Jetzt ist sie weg, du bist noch da. Ein bisschen.

Es wird vielleicht immer so sein.

Es ist okay.

Denn ich bin da. In L.A..

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Mit jeder Welle kommt ein neuer Typ

Foto: Florian Wassily Kazimirski

Meine Freundin Inna ist weg. Mein Abschiedsschmerz zum Glück auch.

Denn in Los Angeles gibt es ja so viel zu entdecken. Männer!

Süße Surferboys gibt es hier wirklich wie Sand am Meer. Endlich kein Klischee. Aber gut, dass ich mich jetzt selbst überzeugen kann.

Ich bin zu abgelenkt von der Show in L.A., dass ich noch keinen Surfshop gesehen habe, um mir ein Surfboard auszuleihen: Brett vorm Kopf statt Brett unter den Füßen.

Also bin ich Zuschauer.

Bikini an, Sonnenbrille auf, die Show kann weitergehen.

Mit jeder Welle kommt ein neuer Typ. Ich verliebe mich im Minutentakt.

Besonders in ihn. Dunkelbraune Dreadlocks. Braun gebrannte Haut. Indianer. Er kommt aus dem Wasser, zieht seinen Neoprenanzug aus. Durchtrainiert, aufrechter Gang, selbstbewusst. Jung.

Ich will ihn gerade nach einem Shop fragen, da höre ich „Hey, Girlfriend!“

Als ich meinen Surfer gefunden habe, hat ein Surfer auch mich gefunden. Leider zwei verschiedene Personen.

Ich habe jetzt mein Surfbrett. So lange ich hier bin, darf ich immer zu Charlie kommen, er leiht mir eins. Und ich finde ihn, denn er lebt direkt am Strand. Traum.

Er hat lange Haare, so wie ich es mag. Er ist der beste Surfer am Strand. Volltreffer.

Denn er ist der älteste.

Charlie ist 72 Jahre alt, seine Haare sind grau. Sein Haus ist ein Van, in dem er jetzt sitzt und aus einer aus einem Eiskaffee-Becher gebastelten Pfeife Marihuana raucht.

L.A., wir haben noch so viel vor.

 

Foto: Florian Wassily Kazimirski

 

Liebeskummer wegen einer Frau

 

Jetzt ist sie weg. Und ich bin wieder allein, allein. Allein in der großen Welt. USA. Los Angeles.

Die letzten drei Wochen habe ich Tag und Nacht mit ihr verbracht: mit Inna. Meiner Freundin.

Und obwohl ich so weit weg war von meinem Berlin, hatte ich keine Angst, vor nichts und niemandem. Denn sie war ja da. Inna.

  
  

Ich weiß, dass sie immer nach mir einschläft, im Bett noch stundenlang auf ihr iPhone hämmert. Weiß, dass sie morgens wieder Stunden vor mir wieder wach ist, mich mit „Rosaaarchen!“ aufweckt, und ihr Ladekabel sucht. Handyakku leer.

Dank ihr wusste ich immer, was der Tag von mir erwartet, denn Inna hatte einen Plan. Der war so voll, dass das Frühstück keinen Platz hatte. Also machten wir die Inna-Diät. Jetzt bin ich drei Kilo leichter. Und auch ansonsten fehlt mir etwas. Inna.

Ich kann nicht einschlafen. Ich brauche es, dieses Gefühl, dass da jemand ist. Ich mag nicht aufstehen, weil keiner meinen Namen ruft.

  

 Jetzt darf ich wenigstens lange und viel frühstücken. Hab aber gar keinen Hunger. Denn wofür soll ich mich stärken? Der Roadtrip durch die USA ist vorbei. Nächster Halt Endstation. Warum ist es aus? Verdammt, ich habe Liebeskummer.

Aber endlich wegen einer, die ihn wert ist. Denn ich weiß, sie fühlt genauso. „Don’t make me sad, Don’t make me cry. Sometimes love is not enough and the road gets tough. But we carry on.“

Lana Del Rey. Unser Lied. Die Straße braucht uns, Inna, plan doch bitte schon mal die nächste Route! We carry on.

 

Übrigens: Hab dein Ladekabel gefunden. Unter meinem Kissen. 

Bye bye, Berlin – hallo Amerika 

 Jetzt muss ich aber mal los.
Weil ich einfach mal raus muss.

Weil ich mich nicht in den Park auf eine Wiese setzen will. Weil ich mir nicht auf dem Bio-Markt auf dem Boxhagener Platz am Samstag einen Ingwersaft mit roter Beete pressen will. Ich will auch nicht mehr in diese Cafés, in denen ich zwischen Matcha-Tee und Thai-Chai-Cinnamon-Latte wählen muss, während ich auf einer Obstkiste neben Fremden warte, die Fotos von ihren Honey-Blossom-Caramel-Espresso machen und sie auf Instagram posten.

Ich will auch nicht mehr da sein, wo du bist.

Stattdessen will ich ans Meer, kein Ende sehen, untertauchen. Ich will in eine Bar, am Tresen sitzen, der Kellner stellt mir ein Bier hin. Denn es gibt nur Bier. Kein Lemon-Lime-Ale oder Bananen-Weizen.

Ich will mich nicht entscheiden müssen. Immer diese Möglichkeiten. Ich will nur eins: einfach mal raus.

Bleibe ich oder gehe ich? Ich gehe.

Drei Wochen Roadtrip mit meiner Freundin durch Kalifornien und Arizona. Danach vier Monate Los Angeles. Ich bin dann mal weg.

Okay, in Los Angeles wird es noch doller. Dort werde ich mich zwischen grünem Spinach-Smoothie und noch grünerem Spinach-Broccoli-Apfel-Smothie entscheiden müssen.

Mmh, zumindest mal was anderes. Und jedenfalls bist da nicht du.

Ich bin zuversichtlich, dass ich in fünf Monaten in Los Angeles auch eine einfache Bar mit einfachem Bier finden werde.

Und vielleicht treffe da auch einfach mal IHN. Mr. X.. Das wär’s.

Tschüssikowsky und bye bye. Ab nun heißt es 30, Single, L.A..